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Entwidmung nach fast 50 Jahren

Auf Beschluss des Gemeindekirchenrates wurde der Kirchenbungalow in Klepzig am 19. Juli 2024 in einem feierlichen Gottesdienst entwidmet. Die Predigt hielt Pfarrer i.R. Lepetit

Blick in einen kleinen Raum mit Kreuz an der Wand. Menschen sind von hinten zu sehen. Zwei Personen im Talar stehen vorn.
Pfarrer i.R. Lepetit und Pfarrer Olejnicki gestalteten gemeinsam den Entwidmungsgottesdienst

Folgende Predigt hielt Pfarrer i.R. Lepetit zu diesem Anlass:

Predigt zum Abschiedsgottesdienst vom Kirchenbungalow Klepzig am 19. Juli 2024

 

Liebe Gemeinde, verehrte Gäste,

 

heute nehmen wir Abschied von unserem Kirchenbungalow. Das Wort Bungalow gibt es nicht in der Bibel, denn es stammt aus dem Indischen und heißt Haus im bengalischen Stil, genauer „eingeschossiges Wohnhaus mit flach geneigtem Dach“. Die Engeländer haben das Wort mitgebracht nach England und Deutschland und damit auch nach Klepzig.

Unser alter baufälliger Bungalow, von dem wir heute als gottesdienstlichem Haus Abschied nehmen müssen, hat uns fast 50 Jahre gedient für alle unsere Veranstaltungen. Er war für uns unser „Haus Gottes“ hier in Klepzig.

So will ich alles Folgende unter zwei Begriffen erläutern: 

1.        Haus

2.        Abschied

 

1. Haus

In unserer Bibel finden wir den Begriff Haus in verschiedensten Variationen aus hebräischen und griechischen Vokabeln, die überaus reichlich vorkommen. Allein 8 Seiten in meiner Konkordanz, dem alphabetischen biblischen Wörterbuch, mit dem Wort Haus. Das macht etwa 300 Bibelstellen pro Seite, also ungefähr 2000 Bibelstellen. Dabei ist zu beachte: Welche Vielfalt verbirgt sich hinter den Originalworten, die Luther alle mit „Haus“ übersetzt. Z.B.: Behausung, Zelt, Bleibe, Wohnheim, Wohnung, Wohnstätte, Wohnort, Aufenthaltsort, Familienzentrum, Grabeshöhle, Tempel. Und auch Haus aus Fleisch und Blut kommt da vor. Allen gemeinsam ist: Dach über dem Kopf, Schutz, Sicherheit, Ort der Gemeinschaft, Treffpunkt für Feiern, zum Singen, zum Essen, zum Beten und Hören, Raum für die Kommunikation im weitesten Sinne und für die Verkündigung des Evangeliums im engsten Sinne.

Menschen sitzen in einem kleinen Raum mit Kreuz an der Wand. In der Mitte steht ein Altar mit Kerzen. Ein Pfarrer im Talar steht hinter einem Pult.
Pfarrer i.R. Lepetit hielt die letzte Predigt im Kirchenbungalow Klepzig

Das alles ist auch dieser Bungalow in den fast 50 Jahren seines Bestehens gewesen. Und wir alle sind dankbar, dass wir diesen Raum mit Leben erfüllen konnten mit den Menschen, die hier ein- und ausgegangen sind. Wir denken an unsere verstorbene Frau Schulz, der wir unendlich viel verdanken, an die 100jährige Frau Lehmann im Pflegeheim. Und nicht zu vergessen: wir sind sehr dankbar, dass Herr Berger hier vor Ort in aller Treue dieses Haus mit versorgte. Bei allem was hier geschah, ist die Verkündigung der frohen Botschaft unsere christliche Hauptaufgabe gewesen. 

Eine Besonderheit der biblischen Texte mit dem Begriff Haus ist, dass dieser meist materiell, aber eben auch immateriell gebraucht wird. Also einmal das Haus aus Stoff, Lehm, Stein, Holz. Dann aber kann das Haus auch etwas Immaterielles, eine geistliche Erscheinung sein. So können auch die Menschen, die im Hause Gottes, der Synagoge, dem Tempel sich befinden, als lebendiges Haus verstanden werden, wie im Psalm 84: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Wohl denen, die in diesem Hause wohnen, die loben dich immerdar.“

Oder im Neuen Testament heißt es zu diesem immateriellen Haus aus Fleisch und Blut: „Und auch ihr als lebendige Steine, erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind.“ 1. Petr. 2,5

Paulus erinnert im 1. Korintherbrief 6,19 daran:

„Wisst ihr nicht dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft, darum preist Gott mit eurem Leibe.“

Wenn wir selbst also mit unserem Leib, ein Tempel Gottes sind, dann fällt es uns wohl leichter, von diesem irdischen Tempel, genannt „Kirchenbungalow“, Abschied zu nehmen, denn wir bleiben ja ein Tempel Gottes, wo auch immer, solange wir leben.

Menschen sitzen außen vor einem geöffneten Fenster
Die Plätze im Kirchenbungalow reichten an diesem Tag nicht, so dass einige dem Gottesdienst durch das geöffnete Fenster folgten.

Und damit sind wir beim 2. Angekommen: ABSCHIED

Christen trafen sich ganz am Anfang im Verborgenen an wechselnden Orten. Das sollte sich im Laufe der Geschichte ändern. Aus der Verborgenheit wurde Aufmerksamkeit heischender Stolz, Pracht und Prunk in unseren schönsten Kirchenbauten.

Auch die Kirchentürme in unserem Land zeugen noch von dieser Zeit des allgemein verpflichtenden Christentums, zu dem man einfach dazugehörte. Trotz nachlassender Zahlen der Christengemeinden stehen immer noch die Kirchen mit ihren Türmen und zeugen von anderen Zeiten allgemeiner Anerkennung. Das war nicht immer so.

Gerade in unserer Gegend hat es viele Jahrzehnte gebraucht, bis sich das Christentum gegen die heimisch gewesenen Slawen der wendischen Livtitzier durchsetzen konnten, verbunden mit vielen Kämpfen im Vor- und Zurück über viele Jahrzehnte.

Nicht umsonst wurde in Köthen die Stadt- und Kathedralkirche St. Jakob gebaut als ein Bollwerk, um die Christianisierung im gesamten Umfeld zu fördern und zu sichern. So ist auch einst die Klepziger Feldsteinkirche als Filiale errichtet worden, um den christlichen Glauben zu stärken und zu schützen, bis diese Kirche dann den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr genügte. Eine viel größere Kirche an anderer Stelle musste her, in die die Gemeinde nach dem Abschied von der Alten umzog. Nun gefertigt aus Backstein mit einem hohen Turm schien sie für die Ewigkeit gebaut zu sein. Aber keine 100 Jahre später zerstörte der Krieg das Dach des Kirchengebäudes, dann ein Sturm. Das war das Ende für dieses Gotteshaus. Wieder ein Abschied!

Aber es fanden sich eine Gaststätte und verschiedene Wohnungsinhaber bereit, der gottesdienstlichen Gemeinde einen Raum auf Zeit zur Verfügung zu stellen. Der Abschied von diesen Räumen war durch den Erwerb des Bungalows möglich geworden vor genau 49 Jahren. Und 1975 konnte der umgebaute Bungalow als Ersatzkirche in Besitz genommen werden. Heute nun verabschieden wir uns von diesem Gebäude, in welchem wir Geborgenheit und Gemeinschaft unter Gottes Wort genossen haben.

Abschied – wir alle kennen diesen Begriff und die Folgen aus unserem Leben. Bis auf den allerletzten Abschied am Ende unseres Lebens, gibt es unzählig viele Abschiede von Ländern und Orten, von Häusern und Wohnungen, von Regierungsformen, von Situationen und Personen.

Meist ist ein Abschied verbunden mit einem Neuanfang. So war es schon immer – auch in der Bibel. Von Anfang an verabschieden sich Menschen aus ihrem Umfeld (Paradies) und ihren Familien, beginnend mit Abraham, der sich auf den Weg macht, um Neuland zu betreten. 

Unter dem Stichwort: „Abschied“ können wir die ganze Bibel durchblättern und merken, dass die Menschen damals fast immer unterwegs waren statt sesshaft. „Das wandernde Gottesvolk“ ist somit zum Begriff geworden für die ständigen Veränderungen, die dem Volk gottes auferlegt waren.

Auch Jesus war nicht sesshaft, sondern wanderte mit seinen Jüngern und allen Verehrern von Ort zu Ort und von Haus zhu Haus in den etwa 3 Jahren seines Wirkens. Er sagt im Matthäusevangelium 8,20: „Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel Nester. Aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ Und in seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium benutzt er das gleiche Wort für Wohnen im Hause aus materiellen Dingen für das Wohnen im übertragenen Sinne als Heimat finden bei Gott, seinem Vater, indem er sagt: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ (Joh 14,23)

Menschen schauen gemeinsam in ein Gesangbuch. Im Vordergrund zwei Menschen im Talar dahinter Gottesdienstbesucher. Alle sitzen
Der Blick durch das Fenster zeigt die singende Klepziger Gemeinde an diesem Tag.

Das ständige Unterwegssein, das Reisen von Ort zu Ort, ist auch in der Apostelgeschichte ein Zeichen lebendigen Christseins im fortwährenden Willkommen- und Abschiednehmen als einem Normalzustand. 

So heißt es in der Apostelgeschichte im 20. Kapitel Vers 1: „Als nun das Getümmel aufgehört hatte, rief Paulus die Jünger zu sich und tröstete sie, nahm Abschied und brach auf, um nach Mazedonien zu reisen.“

Wenige Verse später Kapitel 21,6 steht: „ Und als wir voneinander Abschied genommen hatten, stiegen wir ins Schiff, jene aber wandten sich wieder heimwärts.“

Jetzt wissen wir endlich, und das ist natürlich reine Spekulation, warum die Christen in Klepzig ihre Kirche „Sankt Nikolai“ getauft haben. Dachten sie etwa an den Heiligen der Seefahrer, Nikolaus, der sie auf ihrer langen geheimnisvollen Fahrt von Ort zu Ort ihrer verschiedenen Klepziger Kirchen durch das Meer der Zeit führen und immer an anderer Stelle sie ankommen und willkommen sein lassen sollte?

Wir heutigen Christen aus Klepzig und unsere Gäste besteigen im Geiste voller Hoffnung dieses Schiff und segeln zu unserem neuen Heimathafen im Hause unseres Gemeindegliedes Horst Gräfe, um unter dem neuen Namen „Hauskreis St. Nikolai“ unsere christliche Gemeinschaft weiterhin zu pflegen.

Dazu helfe uns der dreieinige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist.

Amen

Gehalten von Pfarrer i.R. Albrecht Lepetit am 19.Juli 2024 - es gilt das gesprochene Wort.

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