„O Herr von großer Huld und Treue,
o komme du auch jetzt aufs neue
zu uns, die wir sind schwer verstört ...“
Evangelisches Gesangbuch, Nr. 14 (Strophe 5)
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Liebe Leserinnen und Leser,
schwer verstörend sind die Nachrichten aus Israel und Palästina. Die sich immer schneller drehende Abwärtsspirale aus Gewalt und Gegengewalt, Racheakt und vergeltender Zerstörung – längst ist die Grenze überschritten, unterhalb derer kaum mehr eine zivile Konfliktbegrenzung möglich ist. Der Krieg im zweiten Jahr seines Wütens und ein Waffenstillstand an der einen Front ist kaum mehr als ein Konzentrieren der militärischen Kräfte auf die andere Front. Die zitierte Liedzeile trifft mich: Ja, ich bin schwer verstört.
Die Worte stammen aus dem Adventslied „Dein König kommt in niedern Hüllen“. Jesus zieht in Jerusalem ein – in diese gewaltgetränkte Stadt:
„Dein König kommt in niedern Hüllen,
ihn trägt der lastbarn Es´lin Füllen,
empfang ihn froh, Jerusalem!
Trag ihm entgegen Friedenspalmen,
bestreu den Pfad mit grünen Halmen;
so ist´s dem Herren angenehm.“
Die erste Strophe erzählt den Einzug Jesu in Jerusalem nach - unser Evangelium am 1. Advent. Die Melodie lädt ein, Jesus auf diesem Weg zu begleiten, indem sie ein anderes Gesangbuchlied zitiert: „Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit“. Damit sagt sie: „Geh mit, bring auch Du Friedenspalmen herbei, um den Weg zu bereiten für diesen
`mächt´gen Herrscher ohne Heere,
gewalt´gen Kämpfer ohne Speere,
den Friedefürst von großer Macht!´“
Das Lied stammt von Friedrich Rückert, einem außerordentlich begabten Orientalisten des 19. Jahrhunderts. Wie vor ihm Gotthold Ephraim Lessing und sein Weiser Nathan glaubt Rückert an ein friedliches Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen. Friedrich Rückert will Brücken bauen zwischen Orient und Okzident und vertraut dabei der friedenstiftenden Kraft Jesu:
„Und wo du kommst herangezogen,
da ebnen sich des Meeres Wogen,
es schweigt der Sturm, von dir bedroht.
Du kommst, dass auf empörter Erde
der neue Bund gestiftet werde,
und schlägst in Fessel Sünd und Tod.“
O, wenn uns doch heute noch ein solcher Optimismus gelingen wollte! Wenn es uns doch heute noch einmal gelingen könnte, unsere Hoffnungen so in Worte zu fassen!
Wir sind um einige Erfahrungen wunder als Friedrich Rückert – seine Worte von der „empörten Erde“ rufen in uns noch ganz andere Bilder wach, als Rückert sie 1834 haben musste.
„O Herr von großer Huld und Treue,
o komme du auch jetzt aufs neue
zu uns, die wir sind schwer verstört.
Not ist es, dass du selbst hienieden
kommst, zu erneuen deinen Frieden,
dagegen sich die Welt empört.“
Das ist Gebetssprache! – Friedrich Rückerts Lied ist ein Gebet. Es lädt ein, Jesus auf seinem Weg in die gewaltgeprägte Stadt Jerusalem zu begleiten - innerlich Anteil zu nehmen an dem Zeichen des Friedens in dieser hasserfüllten Stadt – und für sie zu beten:
„O lass dein Licht auf Erden siegen,
die Macht der Finsternis erliegen
und lösch der Zwietracht Glimmen aus,
dass wir, die Völker und die Thronen,
vereint als Brüder wieder wohnen
in deines großen Vaters Haus.“
Pfarramt Hallesche Straße 15a, 06366 Köthen
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