Das Haus meiner Kindheit stand in einem Tal am Nordrand des Harzes. Mein Lieblingsfenster schaute talauswärts auf das Harzvorland. Dort stauten sich die Regenwolken, die der Nordwest-Wind heranschob. Und oft stand da ein klarer, farbintensiver Regenbogen über dem Talausgang. Dieses Bild hab ich geliebt!
Nun hatte ich ein Kinderbuch. Darin wollte ein kleiner Junge zu fremden Menschen gelangen und ließ es sich einfallen, über den Regenbogen zu wandern. Meinem kindlichen Realismus war das völlig zuwider: Dass man über einen Regenbogen nicht laufen kann, war doch wohl offensichtlich! Das Buch war wirklich nicht gut. Aber mein Interesse war geweckt: Irgendwie schien das mehr als ein schönes Bild zu sein, so ein Regenbogen.
In der Kinderkirche begegnete mir der Regenbogen dann wieder: nämlich als es um die Noahgeschichte mit der Sintflut ging. Wir haben Bilder gemalt von dem, was wir an Gottes Schöpfung schön fanden. Dann kam ein großer Eimer mit blauer Fingermalfarbe und wir haben mit vollen Händen eine Sintflut über unsere Bilder gemanscht. Ein bißchen schade und völlig faszinierend. Auf diesem Ozean schaukelte über mehrere Wochen die Arche. Wenn wir donnerstags zur Kinderkirche kamen, brachten wir unsere Holztiere mit, damit die gerettet werden konnten. Und wir waren gebannt davon, dass Gott einen Bund mit Noah schließt. Gott verspricht: Nie wieder soll es eine Sintflut geben, die all die Schönheit unserer Erde überspült! Dafür gab es ein Zeichen: den Regenbogen. Ab jetzt war das mein Zeichen!
Ich habe den Regenbogen auf meine Schulhefter gemalt – das fand unser Klassenlehrer schön. Später klebte da ein Greenpeace-Sticker mit Regenbogen – das fand unser Klassenlehrer subversiv. Dann kamen die Ostermärsche mit Regenbogenfahne und dem Wort PACE. Zum ersten Mal fand ich eine Fahne schön!
Und war dann ein bißchen eifersüchtig, als die Regenbogenfahne mehr und mehr zum Symbol einer Bewegung wurde, in der Menschen ihre Gleichberechtigung einforderten, die nicht heterosexuell lebten. Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, wie passend der Regenbogen für diese Bewegung war! Dass der Regenbogen genau die Lebensweisen einschließt, die nicht der jeweils geltenden Norm der Zeit folgen.
Das ist mir erst aufgegangen, als ich im Studium gelernt habe, dass der Noah-Bund der älteste Bund zwischen Gott und den Menschen ist – und der umfassendste.
Während spätere Bundesschlüsse mit Abraham, mit Jakob, mit Mose immer engere Kreise ziehen und sich mehr und mehr auf das Volk Israel konzentrieren, erfasst der Noah-Bund Gottes Verhältnis zu seiner ganzen Menschheit, in ihrer Buntheit und Vielfalt - und mit all ihren Mitgeschöpfen. Der Noah-Bund ist inklusiv und zugleich universal. Und der Regenbogen ist sein Zeichen.
Der Regenbogen verbindet Himmel und Erde. Eine Tradition in unserer Bibel deutet den Regenbogen als Kriegsbogen, den Gott in den Himmel hängt, so wie jemand sein Gewehr an den Nagel hängt, weil er es nicht mehr benutzen mag. Gott legt die schrecklichen Möglichkeiten seiner Macht aus der Hand, weil er mehr Wert auf Frieden als auf Herrschaft legt. (1. Buch Mose 9,12-17)
Dafür liebe ich Gott! Das hat mein Nachdenken über Gott tiefgreifend geprägt.
Apropos: Nachdenken über Gott
In meinem ersten Studienjahr Theologie hatte ich ein extra Notizheft, auf dem stand: „Offene Fragen“. Die Vorlesungen gingen viel zu schnell voran. Es blieb nicht die Zeit, all das wirklich gründlich zu durchdenken, was es zu Gott zu denken gab. Und je mehr sich dieses Notizbuch füllte, desto unzufriedener wurde ich mit meinem Studium: Kann es denn sein, dass so viel offen bleiben muss? Wann soll ich all diese Fragen abarbeiten?!
– Ich schaue ein bißchen wehmütig auf den Optimismus dieser Zeit zurück, als könne man in der Spanne einiger Jahre all das durchdenken, was mein Glauben mir an Fragen aufgibt! Ich hab mich nur schwer lösen können von diesem Wunsch, Gott wirklich umfassend zu verstehen. Es fühlte sich wie resignieren an, diesen Anspruch aufzugeben.
Auf einer Wanderung mit einem Freund hat sich mir dann ein Bild erschlossen, mit dem ich meinen Frieden machen konnte: dieser Physikstudent erzählte mir (was ich vielleicht in der Schule schon hätte lernen können, damals aber nicht begriffen hatte: nämlich) dass das Spektrum des Lichtes viel größer ist, als wir wahrnehmen können. Der Regenbogen hat mehr als sieben Farben! Mit dieser Einsicht im Herzen habe ich anfangen können, Gott auch dort zu lieben, wo ich Gott nicht verstehe.
Für mich ist der Regenbogen eines der wichtigsten Symbole meines Glaubens.
Hans-Christian Beutel
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