Der Tod. Er kommt spät.
Er ist kurz und prägnant.
„Jesus schrie abermals laut und verschied“.
Aber es war nicht kurz und schmerzlos.
Dennoch spielen die körperlichen Schmerzen im Predigttext kaum eine Rolle.
Ein Text der sagt: Sieh auf die Menschen. Sieh hin, wie SIE sich verhalten. Wie SIE ihn behandeln. Ihn der nichts als Liebe für sie übrig hatte.
Akte seelischer Grausamkeit.
Hochmut, Schadenfreude, all die hässlichen Fratzen menschlicher Abgründigkeit.
Sieh hin.
Aber auch ein Text der sagt: sieh bei alledem auch auf IHN.
Erkenne, seinen Schmerz, seine Verlassenheit aber übersieh nicht sein Gottvertrauen bis zum letzten Moment.
Ein verkannter Ruf und Psalm
„Eli, Eli, lama asabtani“ – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
Nur ein einziger Satz der von Jesus selbst stammt in dem langen Text. Der Situation geschuldet, natürlich. Sprechen und Atmen ist schwer bis unmöglich am Kreuz.
Und doch zieht dieser Satz alles an sich. Erinnerst du dich noch an das erste Mal, als du von der Kreuzigung und Jesu letzten Worten gehört hast? War es wie bei mir in der Christenlehre oder später? Mich hat das lange beschäftigt, wie das zusammenpassen kann.
Sohn Gottes, Allmacht, Wunder auf der einen Seite und dieser fast anklagende Satz gesprochen in völliger Ohnmacht eines geschunden Opfers auf der anderen Seite.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.
Und doch hat dieser Satz etwas besonders.
Denn auch angesichts all dem was an ihm und mit ihm getan wurde.
Zweifelt er nicht. Ich meine: Er addressiert seine Klage immer noch an Gott. Er geht also trotz all des Leids und des Schmerzes, trotz all des Spotts und der Demütigung, immer noch fest davon aus, dass es Gott gibt und das er ihm zu hört.
Und er wird damit auch zum Vorbild. Vorbild deshalb, weil er Gott auch unangenehme Fragen stellt und für mich damit den Weg frei macht auch mal mit Gott hart ins Gericht zu gehen. Zu klagen und mein Unverständnis vor ihn zu bringen.
Und dazu kommt noch, Jesu Ruf am Kreuz ist zugleich der Beginn des Psalms 22. Den wir vorhin gebetet haben. In diesem Psalm sind soviele Anklänge zu dem was ihm widerfahren ist, für den gläubigen und der Schrift sehr kundigen Jesus war dies vermutlich so naheliegend. Für uns braucht es etwas Erklärung.
Da wurde das Los über seine Kleider geworfen, von den römischen Soldaten. So wie es im Psalm heißt.
Die „Rotte der Bösen“ die den Gerechten bedrängt aus dem Psalm könnte die Überschrift der ganzen Passion sein.
Und das Kopfschütteln der Spötter aus unserem Predigttext hat eine Entsprechung im Psalm.
Und der Psalm 22 er endet mit der universalen Perspektive: aller Welt Enden werden sich zum Herrn bekehren. Damit ist der Ruf, mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen auch kein Ausdruck von Gottverlassenheit am Ende des Lebens.
Sondern der Beginn eines Gebetes, das all den Schmerz und die Leiden nicht ausklammert, am Ende aber doch ein vertrauensvolles Gebet an Gott ist. Und so hält Jesus selbst in der schlimmsten Stunde das durch, was sein ganzes Leben bis dahin bestimmt hat: Glaube und Vertrauen auf Gott.
Erdbeben und zerrissene Vorhänge
Und das sich da vieles anders darstellt, als es die vorbeiziehenden Spötter so ausmalen. Zeigt sich dann nach seinem Ableben. Ein großes Erdbeben – in der Antike immer eine Begleiterscheinung von Gotteserscheinungen ebenso wie die große Finsternis.
Aber viel wichtiger ist da noch der Vorhang am Tempel. Ein vermutlich riesiges Stück Stoff. Sehr wertvoll aus einem Stück gewebt. Es reißt entzwei. Hier ist aber nicht, wie es in den dunklen Zeiten unserer Kirchengeschichte häufig in antisemitischer Weise interpretiert wurde eine Strafe für die Juden gedacht.
Hier ist viel mehr eine grundlegende Zeitenwende ausgedrückt. Der Vorhang des Tempels in Jerusalem trennte die profane Welt vom heiligen Bereich. Und mit dem Zereissen des Vorhangs wird diese Trennung aufgehoben und damit dem Tempel seine eigentliche Funktion genommen: Ort des Opferkultes zur Sündenvergebung zu sein.
Die Sündenvergebung sie ist von nun an direkt mit Jesus verbunden und nur mit ihm und dem Kreuz verbunden.
Hauptmann und Vergebung
Und wie ernst es mit dieser Vergebung ist, wird mir besonders an dem römischen Hauptmann deutlich. „Wahrlich dieser ist Gottes Sohn gewesen.“ Dieses Glaubensbekenntnis wird von denen zuerst gesprochen, die ihn zuvor noch verhöhnt und seine Kleider unter sich aufgeteilt hatten. Gerade sie werden angesichts des Kreuzes zu Glaubenden. Natürlich spielte für die römischen Männer das Erdbeben und die Finsternis vermutlich die größere Rolle, da beides in ihrer Lebenswelt so eng mit Gottesereignissen verbunden war. Und dennoch kommen sie als erste nach Jesu Tod zu der Erkenntnis, dass das Gottes Sohn ist.
Der Tod kommt. Für jede und jeden von uns. Wir kennen nicht Tag noch Stunde. Das macht ihn oft so schwer. Dieser Mensch da am Kreuz. Jesus. Er litt, qualvoll und verhöhnt. Und er verlor seinen Glauben nicht. Mit seinen letzten Atemzügen drückt er sein tiefes Vertrauen aus. Sein Kreuz hängt und steht in vielen Kirchen und Wohnungen und Orten auf der ganzen Welt. Und so hat sich der in seinen letzten Worten begonnene Psalm erfüllt und tut es immer noch.
Denn des Herrn ist das Reich und er herrscht unter den Völkern.
Vom Herrn wird man verkündigen Kind und Kindeskind.
Bis er kommt in Herrlichkeit.
Amen
Pfarramt Hallesche Straße 15a, 06366 Köthen
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